Grandiose Premiere

Neujahrsempfang 2003

 

GMÜNDER TANNHÄUSER - Begeisterung im Stadtgarten unter der Mitwirkung des Liederkranz Weiler

 

1845, bei der Uraufführung des "Tannhäuser" in Bayreuth spaltete Richard Wagner Widersacher und Befürworter in zwei Lagen. Weil jedes Opernhaus eine andere Vorstellung hatte, gab es verschiedene Fassungen:

eine Dresdner, eine Pariser und eine Wiener. Seit dem Neujahrsempfang des Stadtverbandes Musik und Gesang vom 12. Januar 2003 gibt es auch eine Gmünder Fassung.

 Und was für eine!

Zugegeben, stark gekürzt, von dreieinhalb Stunden auf 20 Minuten, komprimiert auf fünf bekannte Szenen und musikalische Motive, aber in Ausstattung und Ausführung höchst beachtlich. "Wagner für Eilige" nannte es Stadtverbandsvorsitzender Richard Arnold scherzhaft, wobei er nicht bedacht hatte, dass die Gmünder gerne noch stundenlang zugehört hätten. Denn das, was die rund 180 Mitwirkenden aus acht Chören, der Philharmonie Schwäbisch Gmünd mit Bläsern und der Jungen Ballett Kompanie der Sabine-Widmann-Studios (Leitung von Liliana Potyka-Kalecinski) auf die Beine gestellt hatten, war grandios.

Allein eine solche Anzahl musikbegeisterter Menschen von den Kleinsten der St. Michaels-Chorknaben bis zu den routinierten Solistinnen D'Ann Ricciolini-Mieseler (zugleich Chorleiterin des Liederkranz Weiler) als sehnsüchtige Landgräfin Elisabeth und Gertrud Dangelmaier als kecken Hirtenjungen unter einen Hut zu bringen, ist eine beachtliche Leistung. Tage- und nächtelange  Proben waren notwendig, um nicht nur den musikalischen Anspruch zu erfüllen, sondern auch die einzelnen Szenen schauspielerisch zu gestalten. Dabei nutzte Stephan Kirchenbauer vom Liederkranz Weiler bei seiner Inszenierung Raum und Akustik des Stadtgartenfoyers voll aus. In den Originalkostümen des Badischen Staatstheaters Karlsruhe ließ er die adelige Gesellschaft, die sich zum Sängerkrieg auf der Wartburg versammelte, majestätisch die Freitreppe hinabschreiten und lenkte den Pilgerzug vom fernen Rom dort herunter. Elfen und Nymphen schwebten graziös über die Stufen, bezirzten mit ihrem Ballett, bevor sie wieder hinter der imaginären Bühne verschwanden. Die Bläserfanfare erklang, wie beim Aufmarsch der Giganten in Bayreuth, vom Balkon herab. Selten offenbarte das Foyer seine großartige Akustik so deutlich, wie durch die Stimmgewalt der 100 Sängerinnen und Sänger und den ausgewogenen Klang der 35 Philharmoniker.

Die musikalische Gesamtleitung dieser außergewöhnlichen Premiere lag in Händen von Markus Wamsler, der sich bei der Auswahl der Stücke und der Umsetzung auf zahlreiche kompetente Helfer stützen konnte.

Standing Ovations waren der Künstler Lohn. Ihnen hatte es allen große Freude gemacht, dieses Experiment auf die Beine zu stellen. "Das kann doch nichts Einmaliges gewesen sein, das muss doch wiederholt werden!" hallte der Ruf gestern nach. Wie es zu bewerkstelligen ist, wird man sehen, aber Kulturbürgermeister Dr. Joachim Bläse liebäugelt damit, die Gmünder Tannhäuser Fassung nicht nur nochmals im Prediger aufzuführen sondern auch in die historischen Kulissen der Partnerstadt Faenza zu verlegen.

(Fotos: Thomas Mayr, Text: Hanna Meid, GT 13.1.03, bearb. von Horst Linke)