Der lange Weg vom Feigenblatt zum Seidenfrack

Liederkranz Weiler begeisterte mit seiner musikalischen Modenschau der größten Liebespaare

Juli 2001

 

Wenn der Chor "Irgendwo auf der Welt" anstimmt heimlich nach dem Taschentuch kramen. Und dann wieder minutenlang schallend lachen. Das sind die Stimmungslagen, durch die der Liederkranz Weiler seine Zuschauer während der musikalischen Modenschau führt.

Ob Kleopatras Füße wirklich mit Tetrapack-Milch gewaschen wurden? Ein Teppichklopfer fächelt ihr Luft zu, während Julius Cäsar mit dem Oldtimer-Motorrad den denkbar coolsten Auftritt hat:

"Ich brech‘ die Herzen der stolzesten Frau‘n". Diese Stunde Revuetheater mit dem Liederkranz Weiler ist ein Geschenk - der Rahmen für die jüngste Produktion viel zu klein für den unglaublichen Aufwand, der betrieben wurde.

Im Rahmen der Promenadenkonzerte hat der Liederkranz Weiler eine musikalische Modenschau "Vom Feigenblatt zum Seidenfrack" inszeniert und die bekanntesten Liebespaare der Weltgeschichte wie Adam und Eva, Cleopatra und Julius Cäsar, Romeo und Julia, Ludwig XV. und Madame Pompadour, Sisi und Kaiser Franz Josef und natürlich Marlene Dietrich mit ihren Verehrern vorgestellt. Die Kostüme stammen aus dem Fundus des Stuttgarter Großen Hauses - nicht nur die Pompadour und "Sisi" tragen Roben zum Niederknien. Aber bei allem schauspielerischen Talent, bei allem technischen Aufwand: Die Weilermer können singen.

Nicht die - von Conferencier Manfred Laduch sehr charmant vorgetragene - Geschichte der Mode stand im Mittelpunkt, sondern die Stimmen von Elvira und Richard Arnold, Michael Baumann, von Stephan Kirchenbauer, Marion Knies, Elli Lepel, Horst Linke und Sabine Neuhaus, unterstützt vom Chor des Liederkranzes. Zugegeben, dass sie so mitreißend waren, die Weilermer, lag natürlich auch an den Liedern:

"Du bist das süßeste Mädel der Welt", schwört Adam (Richard Arnold); Kunststück, so groß ist die Auswahl dann doch nicht. Und nach dem Sündenfall versichern Adam und Eva (Elvira Arnold) im Duett: Davon geht die Welt nicht unter.

Nach seinem Biker-Auftritt und dem lustvoll geschmetterten Herzensbrecher-Evergreen widmet der Frauenchor im Gefolge Kleopatras dem Römerchef das "Bel ami", dem er ja auch wirklich gerecht wird.

Michl Pick als Romeo gibt sich als Casanova - ganz neue Version -‚ der gleich drei Julias umwirbt. Diese singen "Liebling was wird nur aus uns beiden", während er sich müht, dem bekanntesten Liebhaber der Weltgeschichte nachzueifern: Ob blond, ob braun.

"Ich küsse Ihre Hand, Madame", singt Louis (Horst Linke) seiner Pompadour, die sich mit einem schnippischen "Nur nicht aus Liebe weinen" revanchiert.

Während König Ludwig verzweifelt seiner Popadour folgt, singt - und vor allem spielt - der Männerchor sein Spottlied "Die Pom - Pom - Pom - Pompadour".

Nach einem Sprung in das 19. Jahr- hundert begegnet dem Zuschauer das nächste Liebespaar, das auf tragischste Weise getrennt wurde: Sissi und ihr Kaiser Franz Josef.

 

Eingeleitet wird dieser eindrucksvolle Auftritt vom Chor mit dem stimmungsvoll vorgetragenen "Hör mein Lied, Elisabeth".

 

Seinen Abschluss findet diese Szene in dem wunderschönen Duett "Es leuchten die Sterne" (Sabine Neuhaus mit Stefan Kirchenbauer).

Obwohl sie von vielen Männern umworden wurde, so konnte sie sich doch so recht für einen entscheiden: Marlene Dietrich (Elli Lepel)

Auf das Flehen "Schenk mir doch ein kleines bisschen Liebe" zeigt sie ihren Verehrern nur die kalte Schulter und trägt mit rauchig-rauher Stimme ihre Erkennungsmelodie "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" vor.

 

Mit dem Lied "Irgendwo auf der Welt gibts ein kleines bisschen Glück" verabschiedete sich der Liederkranz Weiler von seinen Zuschauern.

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Jeder Mensch sehnt sich nach Liebe:

 

Liebe zwischen Mann und Frau,

Liebe zwischen Mann und Mann,

Liebe zwischen Frau und Frau

 

Jeder soll Liebe haben auf seine Weise, und das ist gut so!

 

"Hör mein Lied, Elisabeth", "Ich bin von Kopf bis Fuß, auf Liebe eingestellt" - so viele schöne Titel, Gassenhauer, die das Publikum wohl mitgesummt hätte, wären die Sängerinnen und Sänger nicht gar so gut.

So wie Bernd Büttner, Hans-Peter Haas und Elli Lepel unter der Gesamtregie von Stephan Kirchenbauer dafür gesorgt hatten, dass Lachen und Weinen einander ablösten, himmelhochjauchzendes Verliebtsein und herzbrechende Sehnsucht, so stimmte auch Manfred Laduch mit Geschichte und Geschichtla auf die jeweiligen Lieder ein. Geistreiche Anmerkungen zur Mode - und damit auch zur Weltgeschichte fanden sich ebenso wie zutiefst Anrührendes - bis hin zu sentimentalen Schmankerln, etwa zum blütenumkränzten Sarkophag Elisabeths.

(aus RZ vom 2.7.01, bearb. von H. Linke)